Britt Sobotta schneidert Frauen Mieder auf den Leib
Mit freundlicher Genehmigung von Susanne Schilp | Zuerst erschienen am 29. November 2022 in der Berliner Woche
„Es ist nicht nur Design und Know-how, sondern vor allem die Liebe zum Menschen“, sagt Britt Sobotta über ihre Arbeit. Seit 2006 betreibt sie die „Berliner Miedermanufaktur“ in der Schillerpromenade 5 und schneidert außergewöhnliche Outfits nach Maß.
„Ich vergleiche ein Mieder gern mit einem Blütenkelch, der Halt gibt, aber nicht einengt“, sagt sie. Der Brustkorb sei das Fixmaß, er werde niemals eingezwängt. Die Schnürung sorge für den richtigen Sitz der Brust, zeichne die Taille und betone die weiblichen Formen. Die vertikal eingearbeiteten Federspiralstäbe seien so elastisch, dass sie jede Bewegung mitmachten. Sie selbst trägt oft ein tiefrotes Mieder über dem Kleid. Einfach so. „Es modelliert die Figur, sorgt für Gegendruck im Kreuz und eine gute aufrechte Haltung“, so Sobotta.
Eigenen Charakter unterstreichen
Für die meisten Kundinnen steht aber der Wunsch, sich schön zu fühlen, im Vordergrund. Es sind „Frauen, die gesehen werden wollen in ihrer eigenen Weiblichkeit oder Feinheiten im eigenen Charakter unterstreichen möchten“, sagt Sobotta. Und damit sich Form und Inhalt perfekt begegnen können, brauche es das Schneidern nach Maß. „Denn bei herkömmlichen Konfektionsgrößen sind 60 Prozent der Frauen raus.“
Welcher Mensch steht vor mir? Das ist die wichtigste Frage, die sich ihr bei der ersten Begegnung stellt. Will die Frau etwas Spannendes ausprobieren, sich einmal neu erleben? Geht es um Erotik oder sucht sie etwas Passendes fürs Mittelalterfest, den Abiball, die Hochzeit? „Es gibt Frauen, die brauchen etwas Glänzendes oder Durchsichtiges, zu anderen passen Stoffe mit kleinen Margeriten oder Vögelchen, der dritten steht Einfarbiges gut“, so die Fachfrau.
Weil die Kleidungsstücke wie Taillen- oder Vollbrustmieder oder Hüfthalter meist direkt auf der Haut getragen werden, schneidert sie die Innenseite in aller Regel aus reiner Baumwolle. Beim Obermaterial jedoch sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt: Satin, Brokate, Jacquards mit eingewebten Mustern, Perlenstickerei, Damast, Seide … Sobotta kann Hunderte Muster zur Auswahl vorlegen. Meistens ist das gute Stück nach zwei Anproben fertig. Das Ganze hat natürlich seinen Preis: ein Taillenmieder rund 300 Euro, ein Brustmieder zwischen 450 und 500 Euro.
Manchmal kommen auch Kundinnen, die von ihren Männern in den Laden gelotst werden. „So etwas ziehe ich nicht an“, sagte etwa eine 60-jährige Frau nach kurzem Umschauen. Doch nach näherer Betrachtung und einem Gespräch ließ sie sich gerne ein hochgeschlossenes, schwarzes Mieder mit U-Boot-Ausschnitt schneidern, perfekt zur Jeans wie auch zum festlichen Abendessen. Oder jene Frauen, die erst einmal ein paar Kilo abnehmen wollen, bevor sie sich dem Maßband stellen. „Dann sage ich: Lassen Sie sich etwas Schönes machen, fühlen Sie sich darin wohl, dann nehmen Sie automatisch ab.“
Seit Jahren zum festen Kundenstamm gehören auch Transfrauen, die sich manchmal ganze Outfits schneidern lassen – von der Bluse über das Kleid bis zum Mantel. Britt Sobotta ist froh darüber, dass die Gesellschaft ihnen gegenüber toleranter geworden ist. „Manche haben sich jahrelang im Stillen zum Beispiel eine Rüschenbluse gewünscht und wissen auch haargenau, wie sie aussehen soll. Es ist toll, wenn sie mit einem Strahlen mein Geschäft verlassen.“ Auch für alle anderen schneidert sie auf Wunsch Kleidungsstücke abseits vom Mieder: Hosen, Jacken, Röcke. Oft nutzt sie dafür Seidenstoffe, die ihre Kollegin Maria Kravets handbemalt und die im Laden zu begutachten sind. Aber auch Choker, Stulpen oder sogar Gitarrengurte im extravaganten Design gehören zum Programm.
Bildnerisch und handwerklich
Wie ist Britt Sobotta zum Mieder gekommen? Als Dresdnerin sei sie mit dem Schönen aufgewachsen, sagt sie. Schon als Kind habe sie gemalt und sich in ihren Lieblingsfarben gekleidet. Sie schaute sich viele Bilder an, war von Lucas Cranachs Frauen und Jan Vermeers „Dienstmagd mit Milchkrug“ beeindruckt – sie mochte das Mädchen mit dem hochgeschlossenen gelben Mieder. Dass die geschnürten Oberteile freizügiger wurden, habe erst in der Sisi-Zeit begonnen und seine Blüte in der französischen Belle Époque zum Ende des 19. Jahrhunderts erlebt, erklärt Britt Sobotta. Auch diese Mode gefiel ihr. Bevor sie ihre Ausbildung zur Maßschneiderin machte, studierte sie aber Malerei. „Ich glaube, dass Farben etwas mit den Menschen machen“, sagt sie. Ihre heutige Arbeit sieht sie als eine perfekte Verbindung von Bildnerischem und Handwerklichem. „Wir alle brauchen etwas Schönes, etwas für die Seele.“
Weitere Informationen gibt es auf www.berliner-miedermanufaktur.de.
Herzlichen Dank an Frau Susanne Schilp für das freundliche Interview und die Genehmigung zur Veröffentlichung ihrer Texte und Bilder.